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Kategorie: Veranstaltungen und Projekte (Seite 2 von 2)

Projekt 1933 bis 1945

Befragung von Zeitzeugen von Beate und Wolfgang Jandt

Dezember 2012

zu Paul Andresen

Eine Kindheit als Ausgestoßener

Paul Andresen wurde am 17. September 1933 im Niebüller Krankenhaus geboren. Es war ein Sonntag, deshalb war sein Vater zu Hause und konnte seine Frau in die Klinik begleiten. Er saß im Wartezimmer, als der Arzt zu ihm kam und erklärte, das Neugeborene habe eine Lippen- und Gaumenspalte, im Volksmund Hasenscharte und Wolfsrachen genannt. Er wäre bereit, dieses missgebildete Kind von seinen Leiden zu „erlösen“. Herr Andresen solle sich mit seiner Frau beraten. Er würde ihnen dafür eine Stunde Zeit geben. Für Pauls Eltern gab es keinen Zweifel, dass sie ihr Kind behalten wollten. Es gab für sie kein „unwertes“ Leben. Sie nahmen Paul mit in ihr Haus in der Kirchenstraße, wo er aufwuchs. Noch als Säugling wurde er an der Lippe operiert. Der Gaumen blieb offen. Die Eltern waren immer besorgt, dass man ihrem Sohn etwas antun könnte und trafen Vorkehrungen, um ihn zu verstecken.

Die Kinder, die im Umfeld der Niebüller Kirche wohnten, spielten gern auf dem Gelände der Firma Nöhring ( in späterer Zeit die „Autokraft“, inzwischen ist das Gebäude abgerissen). Sie nannten es „Fliegerhorst“, weil hier viele Materialien abgeladen wurden, die für den Flugplatz Leck bestimmt waren. Auch wurden hier die Kraftfahrzeuge der wichtigen Vertreter von Partei und Staat abgestellt, wenn sie die Insel Sylt besuchten.

Im Juli 1939 kam Dr. Josef Mengele mit seiner jungen Frau Irene, geb. Schoenbein, mit dem Auto in Niebüll an, um auf der Insel Sylt die Flitterwochen zu verbringen. Als Assistent am „Institut für Erbbiologie und Rassenhygiene“ in Frankfurt am Main hatte er 1938 promoviert mit dem Thema „Sippenuntersuchung bei der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte“, einem Versuch, die Erblichkeit dieser Fehlbildung nachzuweisen. Als Lagerarzt im KZ Auschwitz vom 30. Mai 1943 bis zum 18. Januar 1945 – neun Tage vor der Befreiung des Lagers – erlangte Dr. Mengele eine schreckliche Berühmtheit.

Paul Andresens Vater versteckte seinen Sohn auf dem Hausboden zwischen der Balkenlage unter den Dielen. Woher er wusste, dass Paul abgeholt werden sollte, ist nicht bekannt. Die Nazi-Schergen kamen ins Haus und suchten nach ihm. Er hörte sie rufen: „Paul, wo bist du? Wir finden dich doch! “ Aber er verhielt sich ganz ruhig, so wie sein Vater es ihm eindringlich gesagt hatte. In der folgenden Woche durfte Paul nicht auf die Straße, er musste den Tag im Stall verbringen. Seine Mutter und seine Oma versorgten ihn mit Essen und Trinken. Um sich die Zeit zu vertreiben, spielte Paul mit Brikettstücken, aus denen er etwas baute.

Als Dr. Mengele und seine Begleitung wieder abgereist waren, schien die Bedrohung vorüber zu sein. Paul wurde nicht weiter verfolgt, aber als er im Jahr darauf in die Schule kam, stand er immer isoliert am Rande. Er konnte ja nicht sprechen. Die Laute, die er von sich gab, waren unverständlich. Wegen seiner guten schriftlichen Leistungen wurde Paul Jahr um Jahr versetzt. Dennoch fühlte er sich einsam und erniedrigt, weil er keine Freunde hatte und die Mitschüler ihn hänselten. Als der Krieg zu Ende war, schlossen sich Pauls Eltern der dänischen Minderheit an. Der dänische Gesundheitsdienst schickte Paul nach Aarhus, wo er an der Lippe und dem Gaumen operiert wurde und sprechen lernte. Er war inzwischen 12 Jahre alt. Nach seiner Konfirmation im Jahre 1949 lernte Paul das Maurerhandwerk bei der Firma Carl Christiansen. Als er 19 Jahre alt war, ging er als Maurergeselle nach Solingen, um in der Nähe einer Spezialklinik zu sein. Er war nun ausgewachsen, so dass die Fehlbildung dauerhaft korrigiert werden konnte. In Düsseldorf wurde er mehrfach operiert und erhielt eine Schulung im Sprechen. Zehn Jahre später, im Februar 1962, kehrte Paul Andresen zurück nach Niebüll. Nach dem Tode des Vaters sah sich seine Mutter nicht in der Lage, das alte Reetdachhaus allein zu erhalten. Paul nahm seine Berufstätigkeit in seinem früheren Lehrbetreib wieder auf, ersetzte im Laufe der Zeit das Friesenhaus durch einen Neubau an derselben Stelle und heiratete 1976 eine Frau mit zwei Töchtern. Er ist stolz auf seine Enkeltochter, die gerade ihre Prüfung als Polizistin bestanden hat. Paul Andresen wird in diesem Jahr achtzig Jahre alt. Er ist seinen Eltern bis heute dankbar, dass sie ihn beschützt haben vor einem frevelhaften System, dem so viele unschuldige Menschen zum Opfer gefallen sind.

Beate Jandt

In diesem Haus in der Kirchenstraße in Niebüll wuchs Paul Andresen auf. Hier wurde er auch von seinem Vater vor den Nazi-Schergen versteckt. Das Reetdachhaus ist in den 70er Jahren durch einen Neubau ersetzt worden.
Paul Andresen 1940 als Siebenjähriger gemeinsam mit seinen jüngeren Schwestern Irmgard und Dora
(beide sind inzwischen verstorben).

Gedenkstein von 1898 auf dem Parkfriedhof

Der Verein für Niebüller Geschichte e.V. gibt heute, am 7. Mai 2014, hier auf dem Parkfriedhof den Gedenkstein von 1898 der Öffentlichkeit zurück.

„Zur Erinnerung an den glorreichen Feldzug 1870 -71 den gefallenen Kameraden 

vom Kampfgenossenverein gewidmet — 1898“ 

Inschrift der Gedenkplatte unter dem Profil Kaiser Wilhelms I.

Ursprünglich hatte dieser Findlingsblock auf einem Sockel von Feldsteinen geruht und war gekrönt von einem bronzenen Adler. Das Denkmal wurde 1898 vor dem Südportal der Niebüller Christuskirche aufgestellt und 1970 auf Beschluss des Kirchenvorstandes und der Stadtvertretung vom THW abgetragen. 

Ein Augenzeuge berichtete uns, dass er eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit die Trümmer des Adlers auf der Erde liegen sah. Diese Zerstörung war vermutlich der Anlass dafür, das gesamte Kriegerdenkmal zu entfernen. Es stammte aus einer Zeit, mit der man nichts anfangen konnte und auch nichts zu tun haben wollte. 

Nach der schleswig-holsteinischen Erhebung 1848 und dem Krieg von 1864 gegen Dänemark wurden landesweit Kriegervereine gegründet, die sich um die Unterstützung der Hinterbliebenen kümmerten und sich für die Errichtung und Pflege von Gedenksteinen einsetzten. Nach der Reichsgründung 1871 infolge des deutsch-französischen Krieges schlugen die Wellen der vaterländischen Begeisterung in ganz Deutschland noch höher, und die Kriegervereine, die ursprünglich politisch neutral waren, wurden als Gegengewicht zur verstärkten Organisation der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie aufgebaut. 

Auch in Tondern, bis 1920 Amtssitz des deutschen Kreises Tondern, zu dem auch das heutige Amt Südtondern gehörte, wurde 1896 ein ähnliches Kriegerdenkmal errichtet. Es hat die Form einer Stele, auf der alle Namen der Gefallenen des Kreises Tondern eingraviert sind, dazu ein Relief des Kaisers und der Adler als Krönung. 

Bis 1945 stand das Denkmal in der Stadtmitte auf dem Kirchplatz neben dem Rathaus. Nach der Befreiung Dänemarks von der deutschen Besatzung wurde es im Juni 1945 entfernt und für 10 Jahre deponiert. Im Rahmen der Bonn-Kopenhagener Erklärung von 1955 wurde es hinter der Schweizerhalle, dem deutschen Versammlungshaus, wiedererrichtet. 40 Jahre später, und nach heftiger Diskussion, fand das Denkmal 1995 seine aktuelle Ruhestätte auf dem Tonderaner Friedhof in unmittelbarer Nähe der Soldatengräber des 1. Weltkrieges. 

Der zentrale Granitstein des Niebüller Ehrenmals lag 40 Jahre unbemerkt im Grünstreifen des Parkfriedhofs, mit der unbeschädigten Inschrift nach unten. Das Relief des Kaisers war ebenfalls erhalten geblieben und befand sich bereits im Besitz des Geschichtsvereins. 

Von dem Adler gibt es weiterhin keine Spur. Auch der Tonderaner Adler ist „entflogen“. Sein Aufenthalt ist aber bekannt: Er befindet sich im Schloss von Sonderburg im Museum. 

Der Verein für Niebüller Geschichte kümmert sich um den Erhalt von Zeugnissen der Vergangenheit unserer Stadt und bewahrt sie für unsere Nachkommen. Wir enthalten uns dabei weitgehend einer aktuellen Bewertung, denn jede Zeit muss ihren eigenen Zugang zur Vergangenheit finden. 

Wir danken dem Kirchenvorstand für die Genehmigung, den Gedenkstein auf dem Parkfriedhof aufzustellen. Unser Dank gilt auch dem Steinmetz Udo Funk für das Bearbeiten und Aufstellen des Steines. Die Kosten dafür hat der Verein für Niebüller Geschichte übernommen. 

Beate Jandt

Das Gemälde von E. Bauer aus dem Jahre 1923 zeigt das Ehrenmal von 1898 für die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges von 1870/71, den Stegel als Eingangsportal zur Christuskirche und das sog. Küsterhaus.
Maria Schröder, geb. Raffelhüschen, hat das Bild dem Geschichtsverein nach ihrem Tode vermacht.

Der Bierkönig kommt ins Andersen-Hüs

Das Wandbild des Friesenmalers Carl Ludwig Jessen wird für die Nachwelt erhalten.

Dieses Kunstwerk hatte man fast vergessen: Im früheren Schankraum der ehemaligen Gaststätte „Morgenstern“ in Niebüll-Deezbüll befand sich ein nahezu unbekanntes Wandbild des Friesenmalers Carl Ludwig Jessen. Der Abriss des Hauses steht an, doch längst waren die Retter des „Bierkönigs“ aktiv. 

Denn auf Initiative des Niebüller Geschichtsvereins, dem Lars Brunk das Wandbild geschenkt hatte, wird das skurrile Kunstwerk nun gerettet und wandert nach der Restaurierung ins Andersen-Hus nach Klockries. Dies gaben Beate Jandt, Vorsitzende des Niebüller Geschichtsvereins und Gerhard Johannsen, 2. Vorsitzender des Ostermooriger Friesenvereins, jetzt bekannt. 

Es liest sich wie ein Krimi. Denn so ohne weiteres konnte der aufgemalte „Bierkkönig“ nicht von der Wand gelöst werden. Eine Spezialfirma aus Lübeck musste beauftragt werden. Am 17. März 2014 galt es, das Wandteil herauszulösen und zu konservieren. 

Vier Tage lang waren die Spezialisten am Werk. Sie verklebten das Werk mit Japanpapier und verschränkten die Fläche mit einer umfangreichen Holzkonstruktion, um ein Auseinanderbrechen zu verhindern. Dann wurde die Mauer seitlich entfernt. Ein spannender Moment: Hier stand alles auf der Kippe. Hauseigentümer Lars Brunk und die Helfer des Friesenvereins atmeten ebenso durch wie die Restauratoren, als die Operation trotz lädierter Hände perfekt war. Nach der gelungenen Aktion wurde der „Bierkönig“ mit einem Spezialtransporter nach Lübeck in die Werkstatt überführt, wo er durch einen Stahlträger auf der Rückseite stabilisiert und bald in neuem Glanz erstrahlen wird. 

Beate Jandt und Gerhard Johannsen hatten zuvor für die kostspielige Arbeit und die Restaurierung fast 17.000 Euro zusammengesammelt. Sie fanden Unterstützung bei der Friede-Springer-Stiftung, dem Bürgerwind-Park Niebüll, der NOSPA, den Stadtwerken und vielen Privatpersonen. 

Bei der Standortwahl gab es Soforthilfe von dem Ostermooriger Friesenverein. Denn ursprünglich sollte der Bierkönig ins Niebüller Friesenmuseum. Doch dort war der Platz nicht ausreichend, so dass der Friesenverein Niebüll-Deezbüll absagte. Nun kam das Andersen-Hüs ins Spiel. In einer schlaflosen Nacht fiel Beate Jandt das beliebte Kulturzentrum ein. Belesen wie sie ist, wusste sie, dass Carl Ludwig Jessen einige Zeit in Klockries gelebt hatte. In den Jahren zwischen 1869 und 1874. »Das passt«, dachte sie sich. Die Ostermooringer Friesen sahen es genauso. 

»Das Bild gehört in die Region!“ waren sich die Vereinsvorstände schnell einig. Und es ist im stark frequentierten Andersen-Hüs am richtigen Platz. Hier gibt es Bier, hier sind die Friesen zuhause. Und genau dort wird der Bierkönig ganz vorn, wie es sich gebührt, im Veranstaltungsraum platziert. 

Eine Niebüllerin verfolgt das Geschehen aufmerksam: „Ich bin mit dem Bild vom Bierkönig aufgewachsen“, sagt Josefine Jansen, Schwester von Hans-Joachim Kühl. Der Kaufmann war der Inhaber der Gaststätte Morgenstern. „Mein Großvater hat die Gaststätte 1888 erworben. Der Raum mit dem Bierkönig gehörte damals zur Gaststube dazu“, erzählt Josefine Jansen. Ihre Mutter ließ es vor langer Zeit von dem Hamburger Künstler Tom Hops restaurieren. 

Die Einweihungsfeier ist für diesen Sommer geplant. 

Der Kunsthistoriker und Carl Ludwig Jessen-Kenner Nr. 1, Professor Dr. Ulrich Schulte-Wülwer, wird die Festrede halten. Es soll ein richtig tolles Fest werden. Nur schade, dass die Brauereien als Sponsoren das Potenzial des Bierkönigs noch nicht entdeckt haben. Beate Jandt setzt nun darauf, dass es noch ortsansässige Geldgeber gibt, damit die Rettung des „Bierkönigs“ und der Einbau am neuen Standort vollständig finanziert werden können. Zum Wandbild selbst: Das Gemälde zeigt einen prachtvoll gekleideten Herrscher, der seinen Thron auf einer Bühne im Wald aufgestellt hat. Der stattliche, vollbärtige Riese hält jedoch kein Zepter in der Hand, sondern ein Maß Bier. Ein holder Knabe schaut zu ihm auf. Im unteren Teil des Bildes, das bislang von einem Heizkörper verdeckt war, sind zwei Männer beim Zuprosten zu entdecken. Während der eine ein trinkfester Burschenschaftsstudent sein dürfte, ist der „Herr mit Hut und Bart“ mit großer Wahrscheinlichkeit Carl Ludwig Jessen selbst. Der frühere Gastwirt Nicolay Nissen war ein Schwager des Künstlers. Er könnte das Bild in Auftrag gegeben haben – um die Gaststube zu schmücken. 

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